In der Veranstaltungsreihe [transfer] der Amadeu Antonio Stiftung stellen (angehende) Wissenschaftler:innen ihre Forschungs- und Abschlussarbeiten zu Antisemitismus und Jüdischen Studien vor. Kurz, bündig und zum Transfer in die außerakademische Welt.
„Es ist mir sonderbar zu Mut, denn Gift und Jud tut selten gut“ – mit dieser Bildunterschrift druckt das antisemitische Hetzblatt Der Stürmer 1932 eine Karikatur gegen Impfungen ab. Der Herausgeber Julius Streicher war Antisemit, NS-Funktionär und bezeichnete Impfungen als „Rassenschande“. Dabei war er nicht der einzige völkische Impfgegner: Von Eugen Dühring bis Heinrich Himmler findet sich Impfablehnung unter völkischen Antisemiten, Lebensreformern bis in die NS-Führungselite – obwohl auch im Nationalsozialismus Impfpflicht herrschte.
Im Fokus des Vortrags liegt die Zeit des Booms der Impfablehnung mit dem Aufstieg der NSDAP. Isolde Vogel widmet sich nicht nur den historischen, sondern auch den inhaltlichen Zusammenhängen von Impfablehnung, dem Glauben an eine „natürliche Lebensweise“ und das Recht des Stärkeren, Volkskörperkult, Naturheilkunde und nicht zuletzt Antisemitismus. Historisch und ideologiekritisch soll das Phänomen in das ambivalente Verhältnis zur modernen Gesellschaft eingebettet und theoretische Ansätze zur Erklärung einer antisemitisch und völkisch begründeten Impfgegnerschaft präsentiert werden. Neben der Analyse personeller Verbindungen, ideologischer Zusammenhänge und ideengeschichtlicher Parallelen geht es im Vortrag um die Argumentationsmuster und Motive, mit denen Jüdinnen und Juden als „giftig“, „krankmachend“ und „todbringend“ und die Impfung wiederum als „jüdisch“ begriffen wurde.
Isolde Vogel ist Historikerin aus Wien und forscht zu Antisemitismus sowie zur Geschichte und Ideologie des Nationalsozialismus und der völkischen Bewegung. Sie ist assoziierte Mitarbeiterin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Institut für Kulturwissenschaften) und arbeitete zuvor für das Yad Vashem Archiv und als Lehrbeauftragte der Universität Wien. Außerdem engagiert sie sich seit Jahren gegen Antisemitismus, völkisches und rechtsextremes Gedankengut und Antifeminismus, u.a. als Co-Präsidentin der Ligue Internationale contre le Racisme et l’Antisémitisme (LICRA) Österreich. Aktuell verfasst sie ihrer Dissertation an der Universität Wien zum Thema „Impfablehnung und Antisemitismus im völkischen Denken. Eine Untersuchung zur Geschichte der deutschsprachigen Impfgegnerschaft (1870–1945)“.