Antisemitismus ist mehr als Hass gegenüber Jüdinnen und Juden. Er ist vor allem eine umfassende Welterklärung, in der jahrtausendealte Motive zur Deutung gesellschaftlicher Konflikte und Krisen herangezogen werden. Die antisemitische Idee der „jüdischen Weltverschwörung“ ist die älteste Verschwörungsideologie der Welt. Aufgrund seiner langen Geschichte ist der Antisemitismus aber überaus wandlungsfähig. Er passt sich immer wieder an neue historische Gegebenheiten und soziale Kontexte an. So kehrt die mittelalterliche Ritualmordlegende heute in Form der Q-Anon Erzählung wieder. Auch Israel wird bisweilen mit antisemitischen Zuschreibungen belegt, wenn etwa seine Existenz delegitimiert, sein Handeln mit doppelten Standards beurteilt oder seine politischen Führer dämonisiert werden. Im Vortrag werden die verschiedenen Erscheinungsformen des christlichen, neuzeitlichen und israelbezogenen Antisemitismus im historischen Wandel vorgestellt und Ansätze der Antisemitismusforschung diskutiert. Dabei wird deutlich, wie tief der Antisemitismus noch immer in unserer Gesellschaft verankert ist.